Als „Ligurische Grenzkammstrasse“ (LGKS) wird eine alte Militaerstrasse aus der Mussolini-Zeit in Ligurien bezeichnet. Diese verbindet die Stadt Pigna, welche ungefaehr 15 km Luftlinie nordwestlich von San Remo liegt, mit dem Tendapass. Die Gesamtstrecke von Pigna bis Limone (Piemonte) am Fusse des Tendapasses betraegt 96 km, davon sind gut 60 km ungeteerte Naturstrasse. Diese Schotterpiste fuehrt ueber weite Strecken durch hochalpines Gelaende fern jeglicher Zivilisation und ist vor allem bei Allrad- und Endurofahrern beliebt.
Weitere Informationen findet man im Internet und im „Grossen Alpenstrassenfuehrer“ aus dem Denzel Verlag in Innsbruck.
Vor ungefaehr 15 Jahren spielte mir der Zufall ein Tourenfahrer Sonderheft mit einem Bericht ueber die LGKS in die Haende; seitdem war mein Interesse geweckt. Anfangs wollte ich gar mit einem meiner historischen Magirus-Deutz die Route bezwingen, habe mich dann aber etwas kundig gemacht und musste feststellen, dass diese Fahrzeuge dafuer leider einige Nummern zu gross sind.
Diverse Reiseberichte und Publikationen offenbaren eine Vielzahl von Meinungen und Empfehlungen zur LGKS. Die Kommentare reichen von „Kaffeefahrt“ bis hin zu „sehr gefaehrliche Strecke“, ebenso weit gefaechert sind die Angaben ueber die Eignung diverser Fahrzeugarten. Die Ansichten variieren dabei vom Mittelklasse-PKW bis hin zu hochgelaendegaengigen Spezialfahrzeugen.
Das veroeffentlichte Bildmaterial habe ich sehr kritisch betrachtet. Im Allgemeinen geht der Trend ja in die Richtung, das Erlebte moeglichst dramatisch darzustellen. Wie so oft ist also hinfahren und selber gucken angesagt. Diesen September hatte ich nun endlich die Gelegenheit, mir einen persoenlichen Eindruck zu verschaffen. Der nachfolgende Bericht behandelt die Strecke von San Remo bis nach Limone im Piemont.
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03.09.2008
Nachdem ich am Vortag von Bozen nach San Remo bei schwuel gewittrigem Wetter „eingeflogen“ war, zeigt sich der folgende Morgen – zumindest an der Kueste – sonnig und trocken. Im Hinterhof des Albergos durfte meine Dogge unter diesen schoenen Bougainville uebernachten.
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Bevor ich San Remo in Richtung Norden verlasse, schaue ich mir noch den Yachthafen und die Uferpromenade an.
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Dann verlasse ich die Stadt auf einer kleinen kurvenreichen Ausfallstrasse in Richtung Baiardo. Nur wenige Strassen von der Uferpromenade entfernt weicht das Mondaene dem Alltaeglichen.
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Im Hintergrund erkennt man eines der vielen Brueckenbauwerke der legendaeren Kuestenautobahn A10, die von Ventimiglia nach Genua fuehrt.
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Ungefaehr auf der halben Strecke zwischen San Remo und Baiardo tangiert die Strasse den Monte Bignone.
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Ueber eine kleine, im unteren Teil noch geteerte Spitzkehrenstrasse von ca 2 km Laenge laesst sich der Gipfel des Monte Bignone befahren. In frueheren Zeiten war dieser „Hausberg“ ein beliebtes Ausflugsziel fuer die Einwohner San Remos. Vom Stadtzentrum war der Gipfel mit einer Seilbahn (3 Sektionen) zu erreichen. Ein grosses Hotel bot Unterkunft und Verpflegung.
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Klar, dass ich mich in den Ruinen etwas genauer umsehe. Insbesondere der ehemaligen Seilbahnstation gilt mein Interesse. Die Ueberreste des Notantriebsmotors weisen diesen als fruehes Erzeugnis des italienischen Isotta Fraschini Konzerns, bekannt fuer Rennwagen, Luxusautomobile und Flugmotore, aus.
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Weiter geht es in Richtung Norden. Am Ortseingang von Baiardo biege ich rechts in Richtung Pigna ab.
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Nach kurzer Zeit hat man einen wunderschoenen Blick auf Castèl Vittório und Pigna (im Hintergrund).
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Ich folge der Strasse weiter talwaerts.
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In Pigna angekommen, tanke ich nochmal voll um fuer alle Eventualitaeten gewappnet zu sein.
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Auf dem Weg von Pigna nach Colla Melosa sehe ich am Strassenrand diesen alten Berliet LKW. Ich bin also richtig im italienisch-franzoesischen Grenzgebiet.
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Auf der Colle Melosa angekommen, stelle ich mit Freuden fest, dass das Rifugio Franco Allavena geoeffnet hat. Bei der Wirtin frage ich nach, ob die LGKS befahrbar ist und kaufe noch ein paar Getraenke und Snacks. Leider ziehen inzwischen dichte Wolken von der Kueste herauf, aber mit Hilfe der erhaltenen Infos finde ich den Anfang der Schotterstrecke ohne Probleme. Mit einem grossen Schild weist die Provinzverwaltung auf die oertlichen Gegebenheiten hin.
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Wie im “Denzel” empfohlen stelle ich den Kilometerzaehler bei Beginn der Schotterstrecke auf „Null“ und es kann losgehen. „Dank“ der Wolken ist die Freude doch etwas getruebt, da mir so die imposanten Panoramen zumeist entgehen.
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Auf den relativ fein geschotterten Rampen komme ich recht zügig voran. Lediglich die Spitzkehren lassen mich regelmaessig zurueckschalten.
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Streckenweise sind sogar Leitpfosten aufgestellt.
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An der ersten Weggabelung bei Kilometer 6,6 halte ich mich rechts.
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Ab und zu reissen die Wolken etwas auf und ich kann schemenhaft die interessante Umgebung erkennen.
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Noch befindet sich die Trasse unterhalb der Baumgrenze. Links und rechts des Weges steht viel Nadelgehoelz.
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An der naechsten Wegteilung bei Kilometer 7,5 halte ich mich ebenfalls rechts.
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Des oefteren kann ich im Gelaende verfallene Gebaeude erkennen.
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Sehr harmonisch passt sich die Strasse dem Gelaende an .
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Am Wegesrand steht diese Gedenktafel fuer einen sehr jung gestorbenen Waidmann.
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Weiter geht es; Laerchen saeumen die Strasse links und rechts ein.
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Ich passiere ein verfallenes groesseres Militaergebaeude, das links neben der Strasse steht.
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Bei Kilometer 10,8 kommt eine etwas groessere Kreuzung, an der man geradeaus weiterfahren muss.
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Etwas spaeter bei Kilometer 11,1 geht es rechts nach Realdo und Triora. Die LGKS fuehrt geradeaus weiter, an einem weiteren grossen Hinweisschild vorbei.
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500 Meter weiter kann man an einer Gabelung zwischen zwei Wegen waehlen. Beide fuehren in die richtige Richtung. Ich waehle den rechten, welcher als steiniger beschrieben wird, da ein Regenschauer den Erboden sehr rutschig gemacht hat.
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Ziemlich zuegig holpere ich mit der Dogge voran.
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Bei Kilometer 14,6 halte ich mich links.
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100 Meter weiter befinde ich mich auf dem Pas de Colle Ardente. Hier geht es geradeaus weiter und ich ueberfahre die Grenze zu Frankreich.
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Die Strecke schlaengelt sich dicht am Berg.
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Zuweilen kommt sogar kurz die Sonne durch. Dennoch reicht es nicht fuer schoene Fernsicht.
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Die Trassenfuehrung wird interessanter, ist aber nach wie vor gut zu fahren.
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Bis zum Pas du Tanarel sind etwas ueber 400 Hoehenmeter zu ueberwinden.
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Auf dem Pas du Tanarel zieht es wie Hechtsuppe. Gar nicht so einfach einen sicheren Platz fuer meine Kamera zwecks „Ich-war-da-Bild“ mit Selbstausloeser zu finden. Hier komme ich wieder zurueck nach Italien.
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Auf der Ostseite des Passes geht es ueber mehrere Serpentinen bergab.
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Bei Kilometer 23,1 lasse ich die Abzweigung nach Monesi rechts liegen; vorlaeufig die letzte Ausstiegsmoeglichkeit in Richtung Zivilisation. Die Uhr zeigt bereits 16:30 Uhr, dennoch entschliesse ich mich zur Weiterfahrt.
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Auf den folgenden Kilometern komme ich gut voran.
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Einfach nur putzig diese Begrenzungspfaehle mitten im Niemandsland …
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Stabile Bruecken fuehren ueber diverse Furten.
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Am linken oberen Bildrand erkennt man den weiteren Verlauf der Strecke. Der Bergkamm wird ca in der Mitte passiert und auf der anderen Seite geht es dann wieder nach „links“ weiter.
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Ich folge dem Verlauf der Strecke in Richtung Bergkamm.
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Der Weg dorthin ist wesentlich weiter, als es aussieht.
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Ungefaehr bei Kilometer 39 wird der Bergkamm passiert. Auf der Rueckseite verhuellen dichte Wolken die Landschaft und lassen die exponierte Trassenfuehrung nur erahnen. Die naechsten Kilometer sind anspruchsvoll, aber ohne Probleme zu bewaeltigen.
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Ich erreiche den Colle del lago die Signori bei Kilometer 41,6 und passiere die italienisch franzoesische Grenze. Die Sicht betraegt leider nur noch 20 bis 50 Meter.
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Die folgenden 8 Kilometer bis zum Colle della Boaria sind die schwierigste Passage der ganzen Strecke. Grober Schotter, extremste Auswaschungen und steinige Stufen machen mir das Leben schwer. Ich benoetige fast 90 Minuten fuer dieses Teilstueck!
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Kurz nach 19 Uhr habe ich endlich den Colle della Boaria erreicht und befinde mich wieder in Italien. Noch gut 10 Kilometer trennen mich vom naechsten Asphalt.
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Direkt nach dem Colle della Boaria folgt ein sehr spektakulaeres Stueck. „Dank“ der Wolken muss ich auch hier auf wunderschoene Ausblicke verzichten.
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Um 19:30 Uhr ist wieder „Land in Sicht“. Ich erreiche die „unbenannte Scharte“ am Bric Campanino und sehe die Lifte und Lichter von Limone (Piemonte).
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Ueber vier Spitzkehren bergab gelange ich zu einer Liftstation.
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Wegweiser zeigen in Richtung Limonetto und Limone (Piemonte).
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Von dort fuehren die letzten Kilometer der LGKS parallel zu einem Berghang.
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Kurz vor Erreichen des Tendapasses verlaeuft die Strecke unterhalb des alten Fort Central.
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Endlich, um 20:30 Uhr erreiche ich den Tendapass und habe nach 60 Kilomtern nun wieder Asphalt unter den Raedern. Die Berghuette „Chalet le Marmotte“ ist zu dieser Zeit natuerlich schon geschlossen.
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Zuegig fahre ich die Ostrampe des Tendapasses hinab und gelange ueber den im Sommer verwaisten Wintersportort Limonetto nach Limone (Piemonte) und nehme Quartier im erstbesten Hotel.
Fuer diesen Tag reicht es …
Gruesse von der Kueste
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Moin Peter, alter Rumtreiber ...
Schon sehr eindrucksvoll, wo dich deine Räder so hintragen.
Da Du die Umlaute mit zwei Buchstaben geschrieben hast gehe ich mal davon aus, dass Du irgendwie noch unterwegs bist. Falls dem so ist: noch viel Spass und gute Fahrt.
Bis zum WE in Norg!
Hallo Peter,
was für eine geile Reisebeschreibung...... bin ja vor kurzem mit dem Berliner Rudel "+" die Zillertaler Hochstraße gefahren und da haben wir schon ein bisschen die Hosen voll gehabt, aber vor deiner Strecke.... Hut ab.
bis denne
Bernd
Alter Verwalter...goile Tour, könnt mir auch gefallen. Aber mit der Dogge hätte ich da bis eben Bedenken gehabt ;)
Schöner Bericht, schade, dass die Wolken das Panorama "versaut" haben.
... super toll ... da kommen bei mir Erinnerungen an unseren Ligurien Urlaub 2004 in der Cinque Terre wieder auf ... war einfach klasse.
Toller Bericht, tolle Fotos.
Willi
genialer Bericht
muss man erst mal drauf kommen, mit dem hündchen in den bergen rumzukrackseln.
inkl. roadbook mit bildern
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Der Wahnsinn!
Nach dem Anschauen der Bilder leide ich immer noch unter Atemnot,grins...
Dazu muss man wissen: ICH HASSE SCHOTTER und Spitzkehren finde ich auch nicht wirklich prickelnd!
Und du hast da mal locker lässig den ganzen Tag beides bewältigt! Respekt!!!
Servus,
Respekt hoch 3! Diese Piste wäre ich mit meiner Dogge nie und nimmer gefahren, und alleine schon gar nicht. Mal im Ernst: wie oft haste den Hund umgelegt? :)
Beste Grüße,
Doggerla
Moin Peter,
echt irre – und größten Respekt für deinen Mut. Mit geht’s genauso wie Verena – Schotter ist irgendwie Mist…und bei dieser Streckenführung sicher der Albtraum. Die Passage hätte ich selbst mit ner leichten MX nicht gemacht…
Beim Betrachten der Bilder habe ich spontan daran gedacht, was hätte passieren können, wenn man in dieser Einöde liegen geblieben wäre… oder gar Schlimmeres. Ich glaube der Ötzi ist auch an einem solchen Vorhaben gescheitert... :wink: :wink:
Daher freue ich mich sehr, dass Du uns nun in soo eindrucksvoller Weise von dieser Strecke berichten kannst.
Viele Grüße…
Klaus
Super Bericht!
Das macht echt an, allerdings auch für mich eher nicht mit der Dogge.
Die wenigen Kilometer Schotter am Umbrail haben mir letzte Woche eigentlich schon gereicht.
Gruß Günter