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sandro: Es kann auch mal so ausgehen - oder noch schlimmer… (Donnerstag 6. Oktober 2016, 12:23)

Max öffnet die Augen. Er liegt in einem Gebüsch. Er kann sich kaum bewegen. Alles schmerzt, insbesondere die rechte Schulter. Das Letzte, woran er sich erinnern kann, ist eine kurze Pause auf einer Passhöhe. Er realisiert, dass er einen Motorradunfall hatte. Seine Jacke ist vollgekotzt. Helm und Handschuhe liegen neben ihn, worauf er sich keinen Reim machen kann. Er hat Angst. Angst, er könne innere Verletzungen haben. Er benötigt dringend Hilfe. Aber niemand ist da. Unter heftigen Schmerzen zieht er langsam sein Handy aus der Jackentasche und wählt die Nummer seiner Frau….

Thomas war voraus gefahren. Obwohl Max mit seiner Cruiser erstaunlich schnell auf den Pässen unterwegs ist, geht die BMW doch leichter um die Kurve. Deshalb fährt jeder seinen Stiefel und Thomas wartet hin und wieder auf Max. Aber diesmal kommt Max nicht. Thomas denkt an einen technischen Defekt. - Wäre ja nicht zum erste Mal auf dieser Tour... Also kehrt er um. Kurz vor der Passhöhe sieht er zwei Fahrräder am Fahrbahnrand liegen, beachtet sie aber nicht. Bis zum letzten, gemeinsamen Haltepunkt keine Spur von Max. Verwundert dreht Thomas wieder um. Neben den Rädern sind jetzt zwei Männer, die Thomas Zeichen zum Anhalten geben…

Die beiden Radfahrer wurden kurz nach der Passhöhe von den Motorrädern überholt. Die erste Maschine ist schon außer Sichtweite. In einer langgezogenen, übersichtlichen Linkskurve setzt die zweite Maschine in einer Bodenwelle hart auf und wird nach rechts katapultiert. Motorrad und Fahrer rutschen einen Abhang hinunter. Die Radfahrer eilen zu Hilfe. Der Motorradfahrer liegt etwa vier Meter unterhalb der Fahrbahn in einem Gebüsch. Es hat ihn davor bewahrt, noch weiter in die Tiefe zu stürzen. Er ist ohnmächtig. Einer der Helfer ist Allgemeinarzt. Sie nehmen ihn den Helm ab und ziehen die Handschuhe aus, um Reflexe zu testen. Hals- und Brustwirbel scheinen nicht verletzt zu sein. Dann klettern sie wieder zur Straße hoch, um Hilfe zu holen. Nachdem der Notruf abgesetzt ist, kommt der andere Motorradfahrer angefahren. Sie halten ihn an. Der Arzt steigt mit ihm zum Unfallopfer hinab. Der andere Helfer bleibt oben, um die Rettungskräfte einzuweisen. Max scheint gerade telefonieren zu wollen, was der Arzt gar nicht gut findet. Er nimmt ihm das Handy aus der Hand und schaltet es aus. Wann sich Max übergeben hat, kann im Nachhinein niemand mehr sagen…

Ich selbst musste die Alpentour mit den beiden Freunden zwei Tage vorher wegen einer defekten Lichtmaschine abbrechen und bin inzwischen wieder zu Hause.
Die Bulldog steht aufgebockt in der Werkstatt. Ich schraube gerade den linken Motordeckel ab, um die defekte LiMa auszubauen. Da klingelt mein Handy. Es ist Max‘ Frau, Janette: „Sandro, kannst Du mir die Handynummer von Thomas geben? Max hat mich gerade angerufen, dass er einen Unfall hatte, irgendwo liegt und Hilfe braucht, dann ist die Verbindung abgerissen!“
Ich schicke ihr den Kontakt per WhatsApp, steige ins Auto und fahre zu ihr.
Als ich ankomme ist sie natürlich völlig aufgelöst. Sie hat Thomas noch nicht erreicht. Also versuche ich es. Ohne sich zu melden und ohne mich zu Wort kommen zu lassen, sagte er: „Sandro, es ist gerade ganz schlecht. Max hatte einen Unfall. Wir versuchen gerade, ihn auf der Trage den Berg hoch zu bringen. Wie es ausschaut, hat er aber keine lebensbedrohlichen Verletzungen. Sobald ich mehr weiß, rufe ich Dich zurück.“

Die Tour war meine Idee. Ich hatte sie auch geplant und organisiert. Ich fühle mich mitverantwortlich, habe ein total schlechtes Gewissen und will unbedingt irgendwie helfen. Auch Janette kann jetzt nicht tatenlos herumsitzen.
Kurzerhand wird im Esszimmer ein Krisenstab eingerichtet: Ich halte Verbindung zu Thomas, Janette sucht Unterlagen und telefoniert mit den Versicherungen.
Max wird ins Krankenhaus Nach Cortina d’Ampezzo gebracht. Erste Diagnose:
Gehirnerschütterung, diverse Prellungen, Leberquetschung. Schlüsselbein und kleiner Finger gebrochen. Die Blutwerte machen etwas Sorgen. Deshalb wird Max in ein anderes Krankenhaus verlegt und dort ins CT geschoben.
Kurz nach 17:00 Uhr bekommen wir von Thomas Entwarnung: Es wurden keine weiteren Verletzungen festgestellt. Sie wollen Max aber noch mindestens eine Nacht zur Beobachtung im Krankenhaus behalten. Mit etwas Glück, wenn die Blutwerte bis dahin besser sind, kann er morgen entlassen werden.

Am nächsten Tag, kurz nach fünf Uhr morgens, sitzen Janette und ich im Auto Richtung Italien. Wir sind fest entschlossen, Max noch heute nach Hause zu bringen.
Um zehn Uhr abends haben wir es geschafft.
Thomas beendet die Tour an diesem regnerischen 19. September alleine.

Diese Geschichte beinhaltet sehr viele „was wäre gewesen, wenn…?“.
Deshalb sind wir alle froh, dass sie so ausgegangen ist und nicht anders.


Passt auf Euch auf!

gv66: Re: Es kann auch mal so ausgehen - oder noch schlimmer… (Donnerstag 6. Oktober 2016, 13:05)

Puuuuuh, erstmal tief Durchatmen.

Kenne das mit dem Verantwortungsgefühl, ich organisiere ja jetzt auch schon seit über 20 Jahren unsere Moseltour mit der Polizeitruppe.
Hatten auch schon den ein oder anderen kleinen Unfall oder Sturz aber bislang musste Gott sei Dank noch nie einer dort im Krankenhaus bleiben.
Aber was hättest Du anders organisieren sollen??? Wenn was passiert ist immer blöd. Aber ich finde ihr habt das alles toll gehandhabt, auch mit der Abholung.
LG Guido

spi: Re: Es kann auch mal so ausgehen - oder noch schlimmer… (Donnerstag 6. Oktober 2016, 15:35)

Hi Sandro, was für eine Geschichte. Am Ende bleibt die Erkenntnis, das wir ein gefährliches Hobby haben. Suche bitte keinen Fehler bei dir. Ab dem Moment wo jeder von uns auf sein Bike steigt, ist er selbst verantwortlich. Jeder muss für sich entscheiden, wann zu viel einfach zu viel ist. Manchmal auch entgegen der Gruppendynamic.
Dein Kumpel Max hat zwei Mal Glück gehabt. Erstens beim Unfall selbst und Zweitens das er Menschen in seinem Umfeld hat, die sich um ihn Sorgen machen und kümmern.

Der Christian: Re: Es kann auch mal so ausgehen - oder noch schlimmer… (Donnerstag 6. Oktober 2016, 15:49)

Oh, ha, da läuft es einen kalt den Rücken runter.
Aber zum Glück ist ja noch alles irgendwie gut verlaufen.
Schuld muss und darf sich keiner machen, es ist immer noch jeder für sich selbst verantwortlich.
Es zeigt aber, dass es in den Alpen mehr als Sinn macht, min. zu zweit zu fahren.
Gute Besserung an Deinen Kumpel.

ff007: Re: Es kann auch mal so ausgehen - oder noch schlimmer… (Donnerstag 6. Oktober 2016, 18:05)

Mann Mann Mann Sandro.[emoji15]

Wie schon geschrieben jeder der als Hobby ,Motorradfahren hat ,denke ich ,ist sich den Gefahren bewusst.

Der Organisator oder auch der Tourguide hat ja keinen Einfluss mehr was jeder einzelne so auf dem Bike treibt .
Somit kann man hier wohl vom Glück im Unglück reden und Daumen hoch auf die Freunde die alle geholfen haben und direkt Ort waren.





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hanswerner: Re: Es kann auch mal so ausgehen - oder noch schlimmer… (Donnerstag 6. Oktober 2016, 20:10)

Da war der Schutzengel auf Augenhöhe

Passt auf euch auf

blechi: Re: Es kann auch mal so ausgehen - oder noch schlimmer… (Donnerstag 6. Oktober 2016, 20:51)

Moin Sandro,

ich wünsche Deinem Kumpel gute Besserung und hoffe er wird bald wieder gesund.

vossybear: Re: Es kann auch mal so ausgehen - oder noch schlimmer… (Donnerstag 6. Oktober 2016, 21:54)

Hi Sandro,
erst mal gute Besserung für deinen Kumpel.
Es ist zwar einfach gesagt, du hast keine Schuld, aber ich kann dich verstehen, jeder mit Verantwortungsgefühl kommt da erst mal in`s Grübeln.
Du hast eine schöne Tour geplant, an der normal jeder Teilnehmer seine Freude hat und nicht durch einen Fahrfehler den Max vom Moped geräumt.
Ich sehe es auch so, dein Kumpel hat trotzdem noch riesiges Glück gehabt, der Flug hätte noch tiefer und schlimmer werden können und außerdem hat er einen Freund, auf den er jederzeit zählen kann.
der vossybear

WullDee: Re: Es kann auch mal so ausgehen - oder noch schlimmer… (Donnerstag 6. Oktober 2016, 23:58)

Moin Sandro,
mir fielen spontan "Glück im Unglück" und "Schutzengel" ein, deinem Kumpel Max auf jeden Fall alles Gute und vollumfängliche Genesung!
Wie bereits geschrieben, als Organisator oder Vorausfahrender oder Gruppenmitglied sollte man sich keinen Kopf machen.
Die Frage nach dem "was wäre, wenn ..." oder - anders formuliert - "warum gerade - der / dort / heute / ..." stellt man sich hinterher immer, aber darauf wird es keine Antwort geben. Mit dem Besteigen eines Motorrades hat man eben ein erhöhtes Betriebsrisiko, das sollte sich jeder immer wieder bewusst machen. Und wenn dann wirklich mal Pech wie in diesem Fall eine übersehene Bodenwelle dazu kommt, kann man die Konsequenzen nur durch bspw gute Schutzkleidung etwas abmildern.

Luzy: Re: Es kann auch mal so ausgehen - oder noch schlimmer… (Freitag 7. Oktober 2016, 08:21)

Oh Mann...ich verstehe deine Gefühle, aber wie schon geschrieben wurde, ist jeder für sich selbst verantwortlich, sobald er auf ein Motorrad steigt.
Toll, dass es so *glimpflich* abgegangen ist!
Gute Besserung an deinen Freund...


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